Wohlstand ade?

Wohlstand ade?   

Die in den letzten Jahren entstandenen Preisblasen in den Schwellenländern bedrohen unseren Wohlstand. Während fast die ganze Welt die Schuldenkrise der Industriestaaten als Hauptrisiko für unsere Stabilität ausmacht, wächst im Hintergrund seit Jahren unbeachtet ein Monster heran, das unser Wirtschafts- und Finanzsystem ins Chaos treiben könnte. 

 

Vor einem Crash, ausgehend von den Schwellenländern, wurde an dieser Stelle schon mehrfach gewarnt. Und nun scheinen die Geister die wir riefen unsere Ahnungen wahrzumachen. Die aktuelle Situation ist ein wenig wie bei der Reise nach Jerusalem. Plötzlich stoppt die Musik, und alle stürmen zu den rettenden Stühlen. Denn ein Spieler bekommt keinen Platz mehr und muss ausscheiden. An den Kapitalmärkten scheint derzeit für die Schwellenländer kein Stuhl mehr bereitzustehen. Die Situation in den BRIC-Staaten wie China, Indien und Brasilien ähnelt der von Griechenland oder Irland vor etwa fünf Jahren. Die Zinsen in den Industriestaaten steigen wieder. Und das Kapital zieht wieder ab.

Vor zwei Jahren warnte bereits der IWF erfolglos vor den entstehenden Preisblasen in den Schwellenländern. „Es drohten in China, Indien und Brasilien Finanzblasen wie in Irland und Spanien“. Auch die die BIZ warnte vor einer Finanzkrise in den Schwellenländern. Die BIZ ist eine Finanzorganisation, die Teile der Weltwährungsreserven verwaltet und als Oberste Zentralbank gilt. Es drohe ein „erneuter Schaden verursachender Finanzzyklus“. Mit dieser Warnung erschütterte die BIZ den Glauben von Regierungen und Ökonomen in den Industrieländern. Die Abwehrstrategien gründen auf der Annahme, dass die Wiederherstellung der Finanzstabilität „nur“ eines Abbaus der Schulden in der Euro-Zone, den USA und Japan bedürfe. Doch das Hauptinstrument das genutzt wird um die Wirtschaft der OECD-Staaten zu stützen, schadet auf der anderen Seite den Schwellenländern. Schnell steigende Zinsen.

Nach Schätzungen gab es im Jahr 2012 einen Kapitalzufluss von Industrieländern hin zu Schwellenländern von über 1 Billion US Dollar. Doch wohin fließt das Geld in China, Brasilien und Indien? In Strukturinvestitionen oder aber die Finanzmärkte und den Wohnungsmarkt? Eher doch letzteres.

Beispielsweise stiegen die Immobilienpreise im Boom der letzten Jahre in vielen Schwellenländern in vergleichbarer Geschwindigkeit wie die von OECD Volkswirtschaften vor der Finanzkrise. Die Preiskurve für Häuser ist dort völlig überproportional zur Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Landes verlaufen. Zweistellige Preisanstiege innerhalb eines Monats sind üblich. Durch billige Kredite steigen die Preise so rapide und ziehen Spekulanten an. Die Preise lösen sich so von der realen Nachfrage ab. Das geht solange gut, bis es zu einer Kapital-Verknappung kommt, welche dem Kollaps vorausgeht. Die Spekulanten verlassen dann das sinkende Schiff zuerst und der kollabierende Markt hinterlässt bei Privathaushalten meist eine Spur der Verwüstung. Finanziert wird das Ganze mit günstigen Auslandskrediten, welches in die Märkte der aufkommenden Wirtschaftsmächte sprudelt. Die Statistiken des BIZ belegen dazu ein explodierendes Kreditwachstum in den genannten Ländern. Das Kreditvolumen stieg innerhalb von vier Jahren durchschnittlich um 20 Prozent. Das ist teilweise mehr als in Irland oder Spanien. Dieses Wachstum kommt daher, das Kredite in einer wirtschaftlichen Boom Phase deutlich stärker vergeben werden,  als in lauen Wachstumsphasen. Wenn nun noch weiteres Kapital aus den Industrieländern in die Schwellenländer strömt, verstärkt das nochmals die Kreditvergabe in den boomenden Volkswirtschaften.

Geld fließt dorthin, wo es am besten verdient. Neben den Immobilienmärkten sind das auch die Finanzmärkte. Die Gründe dafür sind vielfältig. Hauptsächlich beruhen sie aber auf der üblichen Irrationalitäten der Finanzmärkte. Wenn diese unkontrollierten Zufluss an Finanzmitteln erhalten, entwickeln sich Blasen. Diese platzen und hinterlassen meist zerstörte Infrastruktur mit unkontrollierbaren Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Finanzwelt. Der Markt regelt es nicht. Die Fehleinschätzungen des Marktes haben reale Konsequenzen, denn die Politik reagiert auf sie und verstärkt damit die Spirale: Die aufstrebenden Volkswirtschaften erhitzen sich auch deshalb so gefährlich, weil die Industriestaaten mit einer Niedrigzinspolitik gegen ihre heimischen Krisen kämpfen. Dadurch flüchtet Kapital in den Süden und den Fernen Osten. Angesichts dieser Bedrohung ist es nur verständlich, wenn Länder wie Brasilien Blockaden gegen externe Kapitalströme errichten. Mit Kapitalverkehrskontrollen schützen sie so nicht nur sich selbst, sondern sie begrenzen damit auch das Anwachsen der BRIC-Blase und leisten somit einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems. Zinserhöhungen in den Zufluss-Ländern sind ein weiteres Mittel zur Eindämmung des Kapitalstroms. Aber die Bekämpfung der entstehenden Inflation durch die Zinsschraube birgt auch das Risiko einer überschnellen Abkühlung der Märkte und der Konjunktur dieser Länder, was man derzeit in Brasilien beobachten kann.

Die BIZ sieht aber auch die Industrieländer in der Pflicht. Besonders die Politik des billigen Geldes in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften verursache in den Schwellenländern schwere Schäden. Die Kritik, dass die realen kurzfristigen Zinsen im Vorjahr weltweit von minus 0,6 Prozent auf minus 1,3 Prozent sogar noch angestiegen sind, ist berechtigt. Investoren werden dadurch noch mehr motiviert, in aufstrebenden Volkswirtschaften zu investieren. Das fördert aber die Abhängigkeit vom ausländischen Geld. Was  das Risiko einer Blasenbildung vergrößert. Die Zinsen in Industrieländern müssten langsam steigen. Kapitalverkehrskontrollen müssten vermehrt eingesetzt werden, um die Strömung des Kapitals vorab kontrollieren zu können. Die Industriestaaten müssten sich entschulden. Dann sähe die Welt anders aus. Hätte, wäre, wenn! Die Staatsverschuldung in der OECD schreitet weiter voran. Eine einheitliche Regelung zur Kontrolle des internationalen Kapitalstroms  ist nicht in Sicht. Die wiederholten Bemühungen des IWF um eine solche internationale Regelung verliefen im Sande. Die Zinsen in Europa, Japan sind weiterhin niedrig und werden es auch noch eine Weile bleiben.  In den USA beginnt allerdings der Ausstieg aus der Billig-Geldpolitik. Wenn auch nochmals verzögert wird die Federal Reserve Bank in den nächsten Monaten die Geldpforten zu schließen beginnen.

Aus Angst vor einem Ende des billigen Geldes flüchten nun viele Investoren aus den Schwellenländern. Die Verwüstungen sind unübersehbar. Vor allem jene Länder geraten unter Druck, die auf ausländisches Kapital besonders dringend angewiesen sind, etwa weil sie ein Leistungsbilanzdefizit finanzieren müssen, also mehr Güter und Dienstleistungen einführen als ausführen. Der Boom der Schwellenländer ist größtenteils kreditfinanziert. Mit Geld aus dem Ausland. Stagniert nun die Kreditvergabe oder fließt aufgrund eines externen Schocks (Finanzkrise in den OECD-Staaten) oder eines internen Schocks (Fallende Preise durch Zinserhöhungen) Kapital sogar ab, besteht die Gefahr eines Kollaps. Die Aktienmärkte vieler Schwellenländer sind bereits abgestürzt. In Indonesien ging es innerhalb von drei Monaten rund ein Drittel in die Tiefe, die Börsen der Türkei, Thailands, Brasiliens und Indiens haben mehr als ein Viertel an Wert eingebüßt. An den Anleihemärkten verlangen die Anleger inzwischen horrende Risikoaufschläge. Die Zinsen zehnjähriger indischer Staatsanleihen schossen in der Spitze auf annähernd zehn Prozent in die Höhe, den höchsten Wert der vergangenen Dekade. Auch Währungen geraten in Mitleidenschaft des Abwärtssoges.

Offenbar hat der letzte Crash noch nicht ausgereicht, um daraus die richtigen Schlussfolgerung zu ziehen. Nicht nur die Schuldenkrise ist ein Risiko für unser System. Auch die Entwicklung der Spekulationsblasen in Schwellenländer müssen wir im Auge haben. Und künftig prophylaktische Maßnahmen ergreifen um den zu und Abfluss von Kapital zu dosieren.

Im ersten Schritt sorgte unsere Politik des billigen Geldes für ein anschwellen der Kapitalströme in die Schwellenländer über einen langen Zeitraum. Im zweiten Schritt wird nun dieser Schritt umgekehrt und die Gelder könnten schneller abgezogen werden als uns recht sein kann. Wenn man bedenkt, welche Schockwellen der Kollaps einer kleinen Volkswirtschaft wie Griechenland verursachte, mag man sich nicht vorstellen, was erst passiert, wenn Riesen wanken. Auch als Wirtschaftslokomotiven sind Schwellenländer für die Weltkonjunktur unersetzlich. Ein derartiger Crash der Schwellenländer hätte ultimative Folgen für das gesamte Weltwirtschaftssystem. Wir sollten uns in Zukunft besser davor wappnen.

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