Märchenstunde in der Eurokrise

Ein angloamerikanischer Angriff auf den Euro! Spekulanten muss das Handwerk gelegt werden! Hedge Fonds werden an die Leine genommen! Spekulation gehört verboten!

Solche und ähnliche Schlagzeilen waren in den letzten Wochen und Monaten in der Presse häufig zu lesen. Um den Euro aus der Krise zu führen sollen Exempel statuiert werden. Lassen Sie sich keine Märchen erzählen. Wir bekamen ganz bewusst das Gefühl vermittelt, dass die Verteidigung unserer Währung gegen diesen massiven Angriff von Spekulanten nur durch solidarische Maßnahmen möglich ist. Hatten Sie dieses Zusammengehörigkeitsgefühl auch? Man will uns dadurch von dem wesentlichen ablenken. Man vertauscht einfach Ursache und Wirkung. Nicht die Spekulation ist schuld an der Krise. Die Politik ist verantwortlich und hat schlimme Fehler gemacht, welche die Investoren jetzt für sich ausnutzen.

Haben Sie auch von dieser sagenhaften Geschichte gelesen, dass in New York einige wenige Hedge Fonds Manager vor einiger Zeit beim Essen zusammensaßen und beschlossen den Euro anzugreifen. Hier wird der Eindruck vermittelt, dass wir nur die Kontrolle über so genannte Spekulanten erringen müssen, um unsere Probleme mit dem Euro zu lösen. Die Welt ist in Wahrheit viel komplizierter. Natürlich sprechen sich große Hedge Fonds regelmäßig miteinander ab, sofern sie gemeinsame strategische Ziele verfolgen. Und selbstverständlich waren viele global agierende Investoren in die Euro-Krise involviert und haben Geld daran verdient. Aber wie konnten einige wenige – sicherlich mächtige Männer – eine Weltwährung in die Zange nehmen? Das gelang deshalb, weil die Mehrheit der Investoren bereits wegen der Lage Griechenlands extrem verunsichert war. So fanden die Zocker den richtigen Nährboden. Die Spekulanten legten die Finger in die Wunden des Euro. Sie erkannten die Schwachstellen des Euro und handelten. Denn der Euro hatte von Beginn an einen Geburtsfehler. Und die Verantwortung dafür trägt die Politik. Die grundsätzliche Schwäche des Euro ist die fehlende staatliche Einigung, die normalerweise jeder Währung zugrunde liegt. Massive Mängel der EU-Verträge von Maastricht und Lissabon wurden bis heute nicht korrigiert. Besonders hervorzuheben sind dabei  eine fehlende gemeinsame europäische Wirtschafts- und Finanzkoordination in Brüssel und die völlig unzureichenden Sanktionsmöglichkeiten bei nicht Erfüllung der Konvergenzkriterien der Mitgliedsländer. Stattdessen sollten als Säulen des Euro eine unabhängige Notenbank sowie die Haushaltsdisziplin der Mitgliedsländer fungieren.

Vor allem die Ausgabendisziplin war überhaupt nicht tauglich, um dauerhaft dem Euro als Stütze zu dienen. Bereits sechs Jahre nach der Einführung der Gemeinschaftswährung führten die großen Vorbilder Deutschland und Frankreich den Stabilitätspakt ad absurdum, als sie die Brüsseler Sanktionsverfahren gegen sich aushebelten. Damit war die Büchse der Pandora geöffnet und für einige Länder gab es nun in Bezug auf Verschuldung kein Halten mehr. Durch die Krise 2007 kam es dann noch dicker und nun stehen wir vor gigantischen Problemen, die wir politisch hätten verhindern können. Die Warnung  von einer Hundertschaft von Wissenschaftlern vor der Euroeinführung,  dass eine Währung ohne zumindest wirtschaftlichspolitische Einheit nicht nachhaltig sein kann, ignorierte man vorsätzlich. Die EU-Verträge zur Währungsunion arbeitete man in der Folgezeit mangelhaft aus in der etwas naiven Annahme, die politische Union würde schon folgen. So viele Fehler werden früher oder später bestraft. Und jetzt ist Zahltag. Hedge Fonds und Investment Banken verdienen an den strukturellen Fehlern des Euro viel Geld. Das mag man als verwerflich betrachten, aber illegal ist es dennoch nicht.

Der Euro ist finanzpolitisch ein Experiment. Doch weil Deutschland als Exportnation am meisten vom Euro profitiert, sollten wir alle vernünftigen Maßnahmen mittragen, die uns den Euro erhalten. Die vertraglichen Mängel der Gemeinschaft müssen behoben werden, um das verlorene Vertrauen zurück zu gewinnen. Hervorzuheben sind hier ein überfälliger Staaten-Insolvenzplan und strikte Sanktionsmechanismen bis hin zum Ausschluss aus der Union. Eine gemeinsame Finanz – und Wirtschaftspolitik wird unausweichlich kommen müssen. Die EU-Mitgliedsländer müssen ihre Neuverschuldung auf Sicht drastisch reduzieren, ohne die Konjunktur dabei abzuwürgen. Für die „unregulierten“ Finanzmärkte müssen endlich Regeln und Kontrollen gefunden und durchgesetzt werden. Diese Märkte, die uns die Finanzkrise eingebrockt haben, müssen schleunigst an die Leine genommen werden. Das ist technisch eigentlich relativ einfach umzusetzen. Kreditausfallversicherungen sollten nur für die Marktteilnehmer zu erwerben sein, die auch Kredite absichern müssen. Die Eigenkapitalanforderung für  Banken und Hedge Fonds müssen kräftig angehoben werden und für ausserbörslichen Handel könnte eine Zentrale Erfassungsbehörde (Clearingstelle) zwangsweise implementiert werden. Nach dem Motto: Gefahr erkannt. Gefahr gebannt. Doch es wird schwierig, diese Regelungen gegen die weltweit agierende Finanz-Lobby durchzusetzen. Eine Transaktionssteuer hingegen ist das denkbar schlechteste Mittel um die Märkte unter Kontrolle zu bekommen, denn die Kosten werden zum Schluss an die Verbraucher einfach weitergegeben. Das ist es doch einfacher ein Verbot von Aktien-Leerverkäufen in einem bereits durchregulierten Markt zu beschließen. Die tun keinem weh.

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