Oliver Roth – Wenn der Nebel sich lichtet.

 Der Nebel war dicht. Man konnte kaum seine eigene Hand vor den Augen erkennen. Der Flottenverband war plötzlich auf dem offenen Meer ins Stocken geraten. Eines seiner ältesten Schiffe hatte mitten auf See Schlagseite erlitten. Nur mühsam konnte es sich jetzt noch über der Wasserlinie halten. Die Besatzung des havarierten Schiffs mühte sich redlich, den Abstand zum Rest der Flotte nicht zu groß werden zu lassen. Man war vor langer Zeit mit den Anderen in See gestochen, obwohl alle wussten, dass das Schiff bereits beim Auslaufen nicht für diese Reise tauglich gewesen war. Der Zustand des Seglers war bemitleidenswert. Notwendige und teure Reparaturmaßnahmen waren immer wieder verschoben worden aber keiner hatte den Willen und den Mut aufgebracht, die gemeinsame Reise abzusagen. Die Risse und Löcher im Rumpf waren lediglich mit Farbe übertüncht und somit die wahren Ausmaße der Schäden verheimlicht worden. Dennoch wurde allgemein gewünscht, dass der alte Segler mit in See sticht. Das Schiff gehörte eben irgendwie zur Gemeinschaft. Die Kapitäne erahnten die prekäre Lage des altehrwürdigen Schiffs, doch keiner von ihnen fand den Mut, öffentlich Zweifel an der Seetüchtigkeit des besagten Seglers zu äußern.

Die „Griechenland“, unser havarierter Segler hat Schlagseite erlitten. Jetzt, auf hoher See, rächen sich die drastischen Fehleinschätzungen und der fehlende Mut zur Offenheit. Durch die Havarie ist die ganze Flotte gefährdet und die ganze Mission ist in Gefahr. Doch hat man daraus gelernt? Nein, im Gegenteil: die Einheit der EU-Flotte wird beschworen. Mit Durchhalteparolen werden Hoffnungen genährt.

Der ökonomische Verstand wurde auf dem Altar des politischen Willens geopfert. Zunächst ist jetzt Pragmatismus angesagt. Die EU versucht in der Griechenlandkrise Zeit zu schinden. Eine Vernebelungstaktik wird angewandt, um zu verhindern, dass über den wahren Zustand Griechenlands nachgedacht wird. Man hofft, mit Hilfszusagen und solidarischen Worthülsen den Zusammenbruch zu verhindern. Die Parole Hoffnung wird ausgegeben. Griechenland könnte sich vielleicht selbst durch Sparen kurieren. Doch wenn der Nebel sich lichtet, kommt die Wahrheit ans Licht. Also lassen Sie uns den Nebel gemeinsam lichten und Klartext reden.

Wie ist die Ausgangssituation?

Der Griechenland-Gipfel der EU Regierungschefs vor einer Woche sollte die Rettung organisieren. Doch das Ergebnis ist mager. Die EU und der IWF stehen im Fall des Falles Griechenland bei. Im „Worst Case“ könnte der IWF Griechenland mit Krediten beistehen und EU Staaten könnten durch zusätzliche Kredite weitere Hilfe leisten. Die Kapitalmärkte haben die Verlautbarungen aus Brüssel jedoch mit Desinteresse zur Kenntnis genommen. Die Risikoaufschläge auf „Ouzo“ Anleihen blieben stabil bei über 300 Basispunkten oder 3%. Es wird auf Zeit gespielt in Brüssel. Das könnte man pragmatische Politik nennen, wenn mittelfristig eine wirkliche Lösung der Probleme in Sicht wäre. Doch davon ist bisher nichts erkennbar. Die Kapitalmärkte wollen langfristige Perspektiven und glauben nicht an Griechenlands kurzfristige Selbstheilung. Deshalb werden griechischen Anleihen ungerührt vom EU Gipfel, auch weiterhin mit kräftigen Risikoaufschlägen gehandelt. Dadurch gerät jedoch die Wiege Europas mehr und mehr in die Schuldenspirale. Und Diese dreht sich schneller und schneller. Die Regierung plant, durch harte Sparmaßnahmen die Neuverschuldung um einige Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren zu drücken. Aber alleine in diesem Jahr braucht Griechenland insgesamt 50 Milliarden Euro von den Kapitalmärkten. Dafür zahlen sie bereits durch Risikoaufschläge 1,5 Milliarden Euro mehr als bisher. Von den Zinsen auf ca. 8,5% Neuverschuldung gar nicht erst zu sprechen. Laut Berechnungen von Experten zahlt Griechenland schon heute pro einem Euro Steuereinahmen 30 Euro-Cent Zinsen. Sobald es 40 Cent zahlt, wäre es am „Point of no Return“ angekommen. Eine Überschuldung wäre dann unausweichlich.

Welche Optionen hat Griechenland?

Der IWF hilft Ländern in finanzieller Not. Nach erfolgten Strukturanpassungen soll durch billige Kredite den Schuldnern aus der Patsche geholfen werden. Um diese günstigen Kredite zu erhalten, müssen Staaten aber zuerst bestimmte Bedingungen erfüllen. Diese Bedingungen sind teilweise mit schmerzhaften Einschnitten für die Bevölkerung verbunden. Die Strukturanpassungsprogramme des IWF beinhalten Themen wie Subventionsabbau, Haushaltsdisziplin, Privatisierung von Staatsbesitz und einiges mehr bis hin zur vorübergehenden Abgabe von Souveränitätsrechten. Mit oder ohne IWF muss Griechenland konsequent Maßnahmen ergreifen, um der Überschuldung entgegen zu wirken. Der generell wichtigste Teil der IWF-Sanierungsstrategie wird aber im Fall der Helenen zunächst nicht angewandt werden können: die Währungsabwertung. Die Abwertung ist vorerst ausgeschlossen, da Griechenland damit aus dem Euro ausscheiden müsste. Das würde die Besitzer der „Ouzo“ Anleihen um bis zu zwei Drittel ihres eingesetzten Kapitals bringen und möglicherweise einen weiteren Banken-Crash auslösen. Denn europäische Banken sind die größten Gläubiger Griechenlands. Diese werden geschützt und deshalb wird ein Ausschluss Griechenlands verworfen. Also bliebe Griechenland nur noch der mühsame Weg einer „internen“ Abwertung, in dem es die Löhne und Preise für längere Zeit einfriert, um wirtschaftlich effizienter zu produzieren. Damit würden griechische Produkte auch international wettbewerbsfähiger. Die Absenkung des Lohnniveaus bewirkt aber auch eine massive Reduktion des Lebensstandards, was wiederum soziale Unruhen auslösen könnte. Subventionsabbau und eisernes Sparen würden, ohne eine Abwertung vorzunehmen, das hoch verschuldete Land in eine tiefe Rezession führen.

Was bleibt Griechenland?

Kurz und knapp: Griechenland schafft es beim besten Willen nicht alleine. Entweder zahlt die EU für die strukturschwachen Euromitglieder einen Lastenausgleich, bis Diese auf eigenen Füßen stehen können – eine Art Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene – oder aber Griechenland wird früher oder später seine Währung abwerten müssen, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. In diesem Fall müsste es den Euro aufgeben und aus der Währungsunion ausscheiden. Darauf sollten wir uns ordentlich vorbereiten, denn dieses Szenario ist aktuell das wahrscheinlichste und andere europäische Staaten könnten folgen. Eine Exit-Strategie für überschuldete Euroländer sollte also schnellstens entwickelt werden. Das alte Schiff wird wohl alleine vor Anker gehen und die Flotte ziehen lassen müssen. Sobald sich der Nebel lichtet.

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