Vom Rasen aufs Parkett

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 ist in vollem Gange und überall in der Welt wird sie mit großem Interesse von der Öffentlichkeit verfolgt. Auch auf dem Frankfurter Parkett gibt es viele Fußball Fans, die jedes Spiel gebannt an den Bildschirmen verfolgen. Und vielleicht ist das Interesse der Börsianer am Fußball sogar noch etwas größer als im Durchschnitt, denn an der Börse arbeiten viele ehemalige Fußballer. Sogar einige Ex-Profis sind unter den Aktienhändlern zu finden. Es existieren also offensichtlich einige Gemeinsamkeiten zwischen diesen so grundverschiedenen Welten. Was verbindet Männer in Trikots und kurzen Hosen mit denen in Maßanzügen und Lackschuhen? Was verbindet den Rasen und das Parkett?

So manchem Fußballfan und Anleger fällt da wahrscheinlich Borussia Dortmund ein, da die Borussia als einziger deutscher Fußball-Verein an der Börse gelistet ist. Und Fakt ist, dass es in beiden Bereichen um sehr viel Geld geht und beide eine große öffentliche Aufmerksamkeit genießen. Sowohl der Fußball als auch die Börse sind in den letzten Jahren extrem schnell geworden. Aber wenn wir uns von der oberflächlichen Betrachtung lösen, treten noch andere Gemeinsamkeiten zu Tage. Um in beiden Bereichen erfolgreich zu arbeiten, braucht es: Dynamik, Robustheit, Leidenschaft, Entscheidungsfreudigkeit, Antizipation, Ehrgeiz, und Teamfähigkeit. Diese Eigenschaften sind absolut notwendig, um sich dauerhaft auf dem rutschigen Untergrund von Parkett und Rasen zu behaupten.

Im Sommer 1989 betrat ich zum ersten Mal das Parkett der Frankfurter Börse. Ich war kurz zuvor DFB Pokalsieger mit Borussia Dortmund geworden und hatte wenig Ahnung von Börse und Aktien. Meine Fußballprofi Karriere neigte sich bereits dem Ende zu, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Ich hatte entschieden, das der Fußball alleine mich nicht ausfüllte. Durch Zufall bekam ich dann die Chance, mich in Frankfurt bei einem Börsenmaklerbüro zu bewerben. Während meines Bewerbungsgesprächs fragte mich plötzlich Wolfgang Steubing –der Besitzer des Maklerbüros- welche Kenntnisse ich bereits über die Aktienbörse hätte. Ich konnte nur verlegen antworten, dass ich sich mein geringes Börsenwissen lediglich auf dem US Blockbuster „Wall Street“  beschränkte. Er erwiderte lapidar, dass Börse und Fußball viel gemein hätten und das gute Fußballer mit Hirn auch an der Börse Erfolg haben könnten. Nach 20 Jahren im Wertpapierhandel kann ich mit Fug und Recht bestätigen, dass Fußball und Börse viele Gemeinsamkeiten haben.

Börse und Fußball haben sich aber auch in den letzten Jahren drastisch verändert. Ohne dynamische Grundschnelligkeit und rasche Auffassungsgabe kommt man in beiden Bereichen nicht mehr weit. Der moderne Fußballer muss heutzutage in höchstem Tempo die Technik beherrschen. Der Dauerläufer aus den Zeiten Franz Beckenbauers ist passé. Das gilt auch für das Parkett. Durch den technischen Fortschritt ist der Handel von heute um ein vielfaches schneller als vor 20 Jahren. Durch Veränderungen wie das Internet, neue Handelsplattformen und den Hochfrequenzhandel findet der Aktienhandel teilweise in Millisekunden statt. Die Technik bei höchstem Tempo zu beherrschen, macht hier den Unterschied aus.

Gerade weil die Anforderungen in beiden Bereichen so gewachsen sind, ist eine große körperliche und geistige Robustheit erforderlich. Oft können sich Fußballer kaum zwischen den Spieltagen erholen. Auch der Börsianer gerät regelmäßig, allerdings oft unerwartet, unter enormen Stress. Im Gegensatz zum Fußballer hat er dabei jedoch keine Vorbereitungszeit. Als Lehman Brothers Pleite ging, herrschte ohne größere Vorwarnung Rushhour an der Börse. In diesem Moment muss Leistung abgeliefert werden, egal in welcher mentalen Verfassung sich der Börsianer gerade befindet. Auf den Punkt fit zu sein, unterscheidet den guten Händler vom schlechten. Die Fähigkeit, Leistung im geforderten Moment abzurufen, macht den Unterschied. Wenn der Händler zusätzlich noch die Stärke besitzt, sich nach der Krise schnell zu erholen, dann ist dieser „Spieler“ auch fit genug, diese Leistung über Jahre zu erbringen.

In jedem Beruf braucht es Leidenschaft, um Erfolg zu haben. Doch im Fußball und an der Börse werden besondere Fähigkeiten verlangt. Der Fußballer braucht enorme koordinative Talente um den Ball, die Mitspieler und den Gegner gleichzeitig zu erfassen.  Das Eintrainieren diese Automatismen erfordert viel Arbeit und Schweiß, der ohne überdimensionale Leidensfähigkeit und Liebe zum Job nicht zu erreichen wäre. Gleiches gilt für den Börsenhändler, dieser muss ebenfalls einen hohen Grad an Leidenschaft mitbringen. Zu komplex sind die wirtschaftlichen Vernetzungen und  Korrelationen, als dass ein Händler jemals ausgelernt hätte. Immer wieder gilt es, neue Zusammenhänge zu erkennen, um bei der nächsten Kursbewegung dabei zu sein.

Berüchtigt sind die Börsianer sicherlich für die Fähigkeit Entscheidungen schnell zu treffen. Auch hier lassen sich wunderbar Vergleiche mit dem Fußball ziehen. Denn auch dort müssen die Spieler permanent, unter räumlichem und zeitlichem Druck, schnell Entscheidungen treffen.  In höchstem Tempo muss entschieden werden, ob abgespielt oder aufs Tor geschossen wird. Auch der Händler muss derartige Entscheidungen im höchsten Tempo treffen. Wenn eine Aktie plötzlich stark ansteigt, muss er schnell eine Lösung für seine Position finden. Für das Erfassen der veränderten Lage, einer Bewertung der neuen Situation sowie der Entscheidungsfällung hat der Händler nur wenige Momente Zeit. Ein Händler, der mehrheitlich die richtigen Entscheidungen trifft und effizienter als andere ist, verdient dadurch mehr Geld. Vergleichbar ist dies mit einem Strafraumstürmer, der aufgrund seiner Schnelligkeit deutlich mehr Tore schießen kann

In beiden Bereichen ist eine gewisse Vorahnung von Nöten. Die richtigen Entscheidungen zu treffen, sind auf Rasen und Parkett die halbe Miete. Das Antizipieren von Situationen lässt auch langsamere Spieler schnell agieren, so dass deren Schwächen ausgeglichen werden können. Wer den nächsten Pass im Vorfeld erahnt, kann frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen und ist dem Gegner somit einen Schritt voraus.  Auch an der Börse wird alles vorweg genommen. „Buy the rumours“, „sell the fact“ heißt es dort,  „Kaufe das Gerücht“ oder “Verkaufe die Fakten“! Ein Stürmer ohne Torriecher ist genauso erfolglos wie ein Händler ohne Marktgefühl.

Disziplin ist eine der wesentlichsten Eigenschaften, die ein guter Spieler mitbringen muss. Das Umsetzen und Einhalten von taktischen Vorgaben und Regeln ist elementar. Der Börsianer muss im Rahmen der innerbetrieblichen und gesetzlichen Vorgaben arbeiten. Doch über Gewinn und Verlust entscheidet nur die persönliche Handelsdisziplin. Dazu gehört an der Börse, unabhängig von individuellen Erfahrungen, eine wesentliche Richtlinie: Verluste kurzfristig realisieren und Gewinne laufen lassen. Wird diese Maßgabe diszipliniert umgesetzt, wird es nicht zu größeren Verlusten kommen. Innerhalb gewisser Grenzen hat der Händler dabei freien Handlungsspielraum. Dynamik, Antizipation und Entscheidungsfreude machen dabei den Unterschied von Gewinn und Verlust. Ähnliches gilt für den Fußballspieler, hält sich dieser nicht an die Regeln, droht eine Verwarnung oder sogar der Platzverweis. Im Fußball besteht eine disziplinierte Mannschaft aus ihren Einzelspielern, die sich in das Team einfügen. Auf dem Fußballfeld ist das Team nur so stark, wie sein schwächstes Glied. Das Einhalten der taktischen und regeltechnischen Vorgaben auf dem Rasen ist auch hier Grundlage für den Erfolg. Aber letztlich macht nur die individuelle Klasse der Einzelspieler den Unterschied aus.

Die Geschichte lehrt uns, dass auch der einsame Wolf eigentlich niemals so alleine war, wie es immer in den Märchenbüchern geschildert wurde. Selbst der größte Egoist im Sturm braucht Mitspieler, die ihn mit Flanken und Pässen versorgen. Sonst verhungert er am ausgestreckten Arm. Aus diesem Grund ist Teamwork eine Grundvoraussetzung im Mannschaftssport, gleiches gilt auch mittlerweile für den Beruf des Börsenhändlers. Eine enge Zusammenarbeit der Händler untereinander hilft Schwankungen auszugleichen, egal ob es sich um Informationsflut, Leistungsschwankungen oder Finanzkrisen handelt. Deshalb fügt sich nahezu jeder gute Börsenhändler in eine Gemeinschaft ein und weiß auch um die Vorzüge der anderen.

Vor seiner Börsenkarriere war Roth Fußballprofi und wurde in der Saison 1988 / 89 mit Borussia Dortmund DFB-Pokal Sieger. 1999 stieg er mit dem Offenbacher Fußball Club in die 2. Fußball Bundesliga auf.

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