Oliver Roth – Das Ende der Hausse ist in Sicht!

Die US-Konjunktur, Ölpreise, Inflation, Verschuldung – das sind die Risiken, die Oliver Roth für die Aktienmärkte sieht. In seiner Kolumne geht er der Frage nach wieviel Luft noch nach oben sei.

 Der Günstling des Königs war sich der Gefahr, in der er schwebte, nicht bewusst. Er saß dem Herrscher gegenüber und speiste mit ihm auf einem großen Fest. Lange hatte er auf diesen Moment gewartet. Unzufrieden war er mit seiner Position am Hofe gewesen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatte er dem König geschmeichelt und hob die Vorzüge von Reichtum und Macht hervor. Der Höfling hatte sich davon die Aufmerksamkeit des Königs versprochen, was seinen ehrgeizigen Plänen förderlich gewesen wäre. Nach Reichtum und Macht hatte er gegiert. Und da war er nun. Ruhte so weich und komfortabel und speiste mit den wichtigsten Männern des Landes. Ohne zu ahnen, dass der Herrscher ihn längst durchschaut hatte und entschlossen war, dem ehrgeizigen Höfling eine Lektion zu erteilen.

Unmittelbar über dem Ehrgeizling schwebte drohend ein Schwert an der Decke, nur gehalten von einem Rosshaar. Als der Höfling zufällig das Schwert bemerkte und der Gefahr, in der er schwebte, erkannte, konnte er die Darbietungen und Gaumengenüsse nicht mehr genießen. Auch seine errungene Position bei Hofe schien ihm plötzlich nicht mehr so wichtig und begehrenswert wie zuvor. Solange er sich der Gefahr nicht bewusst war, strebte er nach immer mehr. Doch nun wäre er mit dem Erhalt des nackten Lebens mehr als zufrieden gewesen. Reichtum und Erfolg sind immer auch Gefahren ausgesetzt. Dionysios hatte Damokles eine Lehre erteilt, die er nie vergessen sollte. Sich rechtzeitig mit dem Erreichten zufrieden zu geben, ist sowohl im 4. Jahrhundert v. Chr. als auch heutzutage eine seltene Tugend.

Die Jagd nach Rendite trieb Anleger zuletzt vermehrt in die Aktienmärkte und lies dort die Kassen klingen. Doch jetzt steht eine Korrektur an. Mehrere Damoklesschwerter bedrohen den Aufschwung. Wie geht es mit den Aktienmärkten weiter?

Der Ursprung

Seit dem März 2009 hat der DAX sich mehr als verdoppelt. Damals befand sich unser Wirtschafts- und Finanzsystem am Abgrund und der bedeutendste deutsche Aktienindex stand nach einem einzigartigen Absturz bei mickrigen 3.588 Punkten. Seitdem ist viel geschehen. Nach einer heftigen Rezession in den Jahren 2008 und 2009 boomt die Wirtschaft wieder und unser Finanzsystem hat sich stabilisiert. Allerdings auch nicht viel mehr als das. Die Aktienmärkte konnten in den letzten Monaten nochmals heftig von der Erholung profitieren. Die Rentenmärkte schwächeln dagegen. Eine Zinstrendwende steht in den OECD-Staaten an. Das setzt den Bondmärkten weiter zu. Die reichlich vorhandene Liquidität fliesst vermehrt in riskantere Anlageklassen wie in Aktien- und Rohstoffe.

Die Lage

Nach einer längeren Seitwärtsbewegung im Sommer des Jahres 2010 stieg der DAX zuletzt innerhalb von vier Monaten um 18 Prozent auf 7.441 Punkte. Das war die längste Aufwärtsbewegung des DAX innerhalb der seit März 2009 andauernden Aktienhausse. Da die Bäume nicht in den Himmel wachsen, kommt es derzeit zu einer technischen Korrektur, die von Risikoprämien auf Erdöl flankiert wird. Doch die fundamentalen Wirtschaftsdaten sind weiterhin gut. Die Weltökonomie steht noch auf stabilen Füssen und wächst in diesem Jahr um 4 Prozent.

Die deutsche Wirtschaft glaubt an sich, was sich am Rekordstand des Ifo-Geschäftsklima Index leicht feststellen lässt. Der Export von Autos und Maschinen boomt und auch der deutsche Binnenmarkt zeigte sich zuletzt überraschend robust. Die Berichtssaison deutscher Unternehmen des Jahres 2010 ist ein großer Erfolg und wurde von den Aktienmärkten mit rasant steigenden Kursen quittiert. Der deutsche Arbeitsmarkt entwickelt sich hervorragend und lässt einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit erwarten.

Auch das Sorgenkind der Weltökonomie – die US Wirtschaft – findet langsam Anschluss an die Weltwirtschaft und stabilisiert sich zusehends. Wenn gleich auch nur auf niedrigem Niveau. Der US-Arbeitsmarkt ist und bleibt aber das Grundproblem der US-Wirtschaft und die fehlende Zuversicht der Amerikaner verhindert bisher die Entwicklung einer Konsumdynamik, für die das Land bekannt ist. Aufgrund dieser fehlenden Dynamik sieht die US-Notenbank bisher keinen Grund, das Zinsniveau zu erhöhen. Zum Leidwesen vieler Schwellenländer, deren Aufschwung unter der Dollarflut und den daraus resultierenden Inflationsängsten zu ersticken droht.

Da ist man in Europa schon weiter. Im Gegensatz zur USA steht in der Eurozone eine Zinstrendwende im zweiten Halbjahr 2011 an. Die jüngste Verflachung der Zinsstrukturkurve (Verhältnis von kurzfristigen und langfristigen Zinsen) weist daraufhin, dass der Markt eine Zinserhöhung in der Eurozone in diesem Jahr bereits eingepreist hat.

Der Ölpreis steht aktuell im Fokus der Öffentlichkeit. Kein Wunder da, mit Libyen, erstmals ein erdölexportierendes Land von politischen Unruhen ergriffen wurde. Da die von der UN verhängt Sanktionen gegen Diktator Gaddafi erst mittelfristig greifen, gehen unsere Politiker offensichtlich von einer längeren Krise in Libyen – mit unbekanntem Ausgang –  aus. Dennoch handelt es sich gerade um eine politische Börse, deren Auswirkung sich zeitnah relativiert. Doch der Durst der Weltwirtschaft nach Öl wird uns längerfristig beschäftigen und selbst wenn nach der Libyenkrise die Risikoprämie auf Erdöl vorübergehend fällt, wird die steigende Nachfrage das Öl langfristig teurer machen.

Wohin geht es in den nächsten Monaten

Die Weltökonomie, die bisher vom starken Wachstum der Schwellenländer angetrieben wurde, schwächt sich innerhalb dieses Jahres auf knapp 4 Prozent nach 4,5 Prozent 2010 ab. Die ungleichen wirtschaftlichen Ausgangspositionen der Länder werden zu extrem unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungen führen. In den Schwellenländern wird sich die Wirtschaft abkühlen, was in Russland und Brasilien schon deutlich erkennbar ist. In China und Indien läuft die Wirtschaft durch eine hohe Investitions- und Konsumnachfrage noch auf Hochtouren. Die steigende Inflation führt dort allerdings zu Zinserhöhungen, die ihre bremsende Wirkung erst im 3. und 4. Quartal voll entfalten.

Besonders im zweiten Halbjahr dieses Jahres werden sich in den Industrieländern, aufgrund der starken zyklischen Abhängigkeit, Negativeffekte bemerkbar machen. Zusätzlich zur Abschwächung der Dynamik wird das Auslaufen von Konjunkturpaketen und Haushalts-Konsolidierungen viele Industrieländer belasten. Die strukturschwachen Südeuropäer bleiben, auch aufgrund des besonderen Sparzwangs, von der positiven Entwicklung des ersten Halbjahres nahezu abgekoppelt. Auch die US-Amerikaner werden weiterhin dem Rest der Welt hinterher laufen. Ein deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit wird trotz einer expandierenden Geld- und Fiskalpolitik vorerst nicht gelingen.

Das heißt, dass wir an den Aktienmärkten mit hohen Schwankungen rechnen müssen. Aber der Trend zum Jahresende bleibt positiv. Die Liquidität ist und bleibt hoch und presst weiter in Risikoassets. Das DAX-Allzeithoch von 8.151 Punkten bleibt das Ziel für 2011. Doch die Risiken für die Hausse mehren sich und lassen zwischenzeitliche Korrekturen befürchten. Die Volatilität wird steigen. Neben der Verschuldungskrise, gefährlichen Preisblasen (z. B. China), Zinserhöhungen und Währungskrieg ist nun auch der Ölpreis als Risiko für die Erholung zu nennen. Einer oder mehrere dieser Gründe werden früher oder später den Aufschwung der Wirtschaft und an der Börse abwürgen.
Noch ist es nicht soweit und ein Gewinnpotential von weiteren 15 bis 20 Prozent ist drin. Dreiviertel der Hausse haben wir jetzt bereits hinter uns. Langfristig orientierten Anlegern ist derzeit vom Neueinstieg in Aktien abzuraten. Reichtum und Erfolg sind immer auch Gefahren ausgesetzt. Damokles hat seine Lektion gelernt.

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