Die Macht der Kapitalströme – Teil II

Kapital hat eine rationale Logik, es wird dahin gehen, wo es Geld verdienen kann, es wird logische Entscheidungen treffen, wo und wie es investiert. Wenn ihm eine bestimmte Region oder eine bestimmte Industrie nicht gefällt, geht es woanders hin. Regierungen und Gesellschaften, die sich dieser Marktlogik entziehen, werden bestraft.“ Und dies ist ein Spiel ohne Grenzen, ohne Limits und ohne Regeln.

Der Einfluss der internationalen Kapitalströme auf die Weltwirtschaft ist mittlerweile enorm und nimmt ständig zu. Besonders der Mittelzufluss in Entwicklungs- und Schwellenländern (Kapitalempfänger) steigt seit Jahren drastisch. Für 2011 rechnet der IWF mit einem Nettozufluss für diese Staaten von 960 Mrd. Die Industriestaaten spielen dabei den Gegenpart als Kapitalsender. Das Kapital verhält sich dabei wie eine Biene. Es fliegt von Blume zu Blume auf der Suche nach dem süßesten Nektar. Es ist unbestritten, das mit der Liberalisierung der Weltökonomie und der Finanzmärkte viele positive Effekte für die Weltwirtschaft verbunden sind. Die zunehmende Abhängigkeit von Entwicklungsländern -aber auch manche Schwellenländern –  vom internationalen Geldstrom, birgt jedoch auch große Gefahren für die Stabilität der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte. Welche Faktoren beeinflussen die Richtung der Geldflüsse und welche Risiken entstehen daraus?

Bereits im Jahre 1999 versuchte der Internationale Währungsfonds erfolglos internationale Stabilisierungsmaßnahmen zur besseren Kontrolle von Geldströmen durchzusetzen. Die Asienkrise von 1997/1998 war der Grund für die Bemühungen des IWF und gilt seither als perfektes Beispiel für die Schattenseiten, die die internationalen Kapitalströme haben können. In Indonesien, Südkorea, Thailand und indirekt auch in Japan machte sich die Finanz- Währungs- und Wirtschaftskrise hauptsächlich bemerkbar. Die Grundlage der Krise waren zuvor hohe ausländische Kapitalzuflüsse, welche in die boomenden Volkswirtschaften dieser Länder drängten. Niedrigen Zinsen sorgten dann für eine Kreditblase und zu ausufernden Investitionen auf Pump. Die Kredite wurden meist in Fremdwährungen (Dollar, Yen) abgeschlossen und die Zinsen wurden oftmals, ohne Absicherung, nur kurzfristig festgeschrieben. Das führte dazu, dass in den genannten Ländern die Auslandsschulden phasenweise die eigenen Währungsreserven überstiegen. Japan steckte bereits zu dieser Zeit in einer schweren Rezession und wurde durch die anschließende Wirtschaftskrise Thailands und Südkoreas mit in die Krise verwickelt. Das Abhängigkeitsverhältnis von Fremdkapital war zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschritten. Als nun erste Zweifel an einer Fortführung des Wirtschaftsbooms aufkamen und die Überschuldung der Länder immer deutlicher wurde, zogen die ersten Investoren Geld ab. Erste Finanzinstitute bekamen Zahlungsprobleme und die Lawine kam ins Rollen. Immer mehr Investoren zogen ihr Geld ab und die kurzfristigen Kredite liefen aus. Liquiditäts-Schock. Immobilienpreise stürzten ab. Börsenkurse fielen. Die Blase platze und der IWF musste mit Krediten aushelfen. Viel zu spät, wie einige Kritiker meinen.

Um derartige Krisen künftig zu verhindern und Lösungswege aufzuzeigen, müssen zunächst genaue Analysen durchgeführt werden und auf folgende Fragen eine Antwort gefunden werden. Welche Beweggründe liegen grenzüberschreitenden Investitionen zugrunde? Welche Faktoren beeinflussen die Richtung der Ströme? Was beeinflusst die Volumina dieser Ströme?

Um diese Analyse durchzuführen braucht es genaue Daten über grenzüberschreitende Kapitalbewegungen. Ausführliche Daten über die Zu- und Abflüsse der Länder. Und bereits da fangen die Probleme an, denn es gibt von vielen Volkswirtschaften – besonders von Empfängern von Kapital –  kaum verlässliche Statistiken über deren Kapitalströme. Teilweise wollen viele Staaten keine Daten an internationale Institutionen weitergeben. Und teilweise verfügen viele Länder einfach über keine genauen Zahlen aus Mangel an vernünftigen Strukturen. Deshalb ist der IWF in seinen Berechnungen sehr stark von Schätzungen abhängig. Die Schätzungen ergeben aber einen deutlichen Trend. Während bis zum Ende des Jahrtausends das Kapital hauptsächlich innerhalb der Industriestaaten floss, erhalten nun immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländer Kapitalzuflüsse aus den OECD-Staaten. Der IWF erwartet im Jahr 2012 über 1 Bill. USD an Netto-Zuflüssen in solche Länder.  Es ist im zweiten Schritt wichtig die Gründe und die Gefahren der ansteigenden Geldbewegungen zu erkennen, bevor man über geeignete Gegenmaßnahmen nachdenken kann.

Angetrieben wird der Trend der internationalen Geldflüsse hin zu Entwicklungs- und Schwellenländern von verschiedenen Faktoren. Dazu gehören starke, strukturelle Wirtschaftsfaktoren wie  die alternde Bevölkerung in Industriestaaten im Vergleich zu den stark anwachsenden Volkswirtschaften der Schwellenländer. Die potentiell dynamischeren Wachstumsaussichten in BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) und Entwicklungsländern und die stetig verbesserte Kommunikations- und Informationstechnik sind weitere Gründe. Letztere ermöglicht auch vermehrt Kleinanlegern in Wachstumsmärkten zu investieren. Der globale Kapitalstrom verändert auch regelmäßig sein Volumen. Aktuell niedrige Zinsen in den OECD-Staaten und besonders deren Schlüssel-Ländern in Europa sowie den USA sorgen beispielsweise derzeit für ein massives anschwellen des Volumens von Geldzuflüssen. Zinsdifferenzen werden dabei von Investoren renditeträchtig genutzt.   

Die Herausforderungen, die es zu meistern gilt, sind unter anderem plötzlich eintretende starke Schwankungen der Kapitalströme und besonders gravierende Kapitalabflüsse (Liquiditäts-Schock) zu verhindern. Auch gilt es das prozyklische Kreditwachstum in Grenzen zu halten, um Kreditblasen zu vermeiden. Denn Banken neigen dazu in Boomphasen deutlich mehr und unkritischer Kredite zu vergeben. Zu guter Letzt ist es eminent wichtig die Finanzmarktstrukturen von Entwicklungs- und Schwellenländern auszubauen, um eine größere Unabhängigkeit von ausländischem Kapital zu erringen. Von diesen bereits durchgeführten Reformen der Finanzmärkte haben gerade die BRIC-Staaten besonders profitiert. Denn aus der Finanz- und Wirtschaftskrise der Industriesaaten kamen sie relativ ungeschoren davon. Deshalb haben sie seit 2008 immens an internationalem Gewicht hinzugewinnen können. Die Aufstockung auf G20 Treffen ist nur ein Ausdruck von dem vergrößerten Einfluss.

Um die Herausforderungen zu meisten bedarf es zunächst weiterer Analysen, auf Grundlage einer verbesserten Datenversorgung. Der IWF ist derzeit dabei der internationalen Staatengemeinschaft Lösungen zu unterbreiten, um den Gefahren des unregulierten, internationalen Kapitalstroms entgegenzuwirken. Aber noch ist keine Lösung in Sicht, denn zu unterschiedlich ist die Interesselage. Besonders zwischen den Entwicklungs- und Schwellenländern auf der einen und den OECD-Staaten auf der anderen Seite, scheint es unüberbrückbare Differenzen zu geben.

Welche Lösungsansätze der IWF den beiden Lagern vorschlägt und wie diese umgesetzt werden sollen, werde ich im dritten Teil über die „Macht der Kapitalströme“ behandeln.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Webseite nutzt Tools von Drittanbietern. Sie können mehr darüber erfahren, welche Dienste wir verwenden und sie in den Privatsphäre-Einstellungen (de)aktivieren.
OKEinstellungen

DSGVO

  • Marktüberblick von Stockdio.com

Marktüberblick von Stockdio.com

Diese Webseite nutzt Aktienkurse und Marktdaten von Stockdio.com. Mit Ihrer Zustimmung werden die Daten von den Server von Stockdio.com geladen.

Weitere Informationen zu den Datenschutzbestimmungen von Stockdio.com finden Sie unter https://www.stockdio.com/privacy-policy.html.