Oliver Roth* Finanztransaktionssteuer – Fluch oder Segen

 Die EU-Kommission macht ernst mit der Finanztransaktionssteuer. Sie soll in Europa bald eingeführt werden, auch wenn die restliche Welt nicht mitspielt. Die Steuer soll angeblich den Finanzsektor für die Krise zahlen lassen und die Spekulation an den Börsen eindämmen. Doch wird da nicht zuviel versprochen?

 

Die EU-Kommission forciert das Tempo bezüglich der von Merkel und Sarkozy bevorzugten Transaktionssteuer. EU-Kommissionspräsident Barroso wirbt bei den Mitgliedsländern für die Einführung einer Steuer, die auf alle (sowohl börsliche- wie außerbörsliche) Transaktionen anfallen soll. Der Finanzsektor soll für die Krise in Mithaftung genommen werden. Barroso erhofft sich von der neuen Steuer im besten Fall Einnahmen von bis zu 55 Mrd. Euro für die gebrandschatzten Staatskassen. Andere Schätzungen liegen da aber deutlich niedriger. Zusätzlich erhoffen sich die Politiker durch die Erhebung einer Steuer auf Finanztransaktionen eine beruhigende Wirkung auf die Börsen. Denn, so die Idee die dahinter steckt, wenn Spekulanten Steuern auf kurzfristige Spekulationen bezahlen, dann wird sich diese Zockerei nicht mehr lohnen. Oberflächlich betrachtet leuchtet das ein. Doch hält diese Sichtweise einer strengeren Überprüfung stand? Womit wir schon beim Für und Wider einer solchen Finanztransaktionsteuer wären. Vorab, begibt sich damit auf Neuland, denn es gibt bisher nirgendwo auf der Welt eine derartige Steuer. Es existieren wohl bereits einzelne Kapitalverkehrssteuern. Darunter fallen die Börsenumsatzsteuer und die sogenannte Stempelsteuer. Die Börsenumsatzsteuer (Umsatzsteuer auf Börsengeschäfte) gab es bis Anfang der Neunzigerjahre auch in Deutschland und wurde dann abgeschafft. In Großbritannien existiert seit Jahrhunderten eine zunächst breiter gefasste Stempelsteuer. Diese entfällt aber mittlerweile fasst nur noch auf den Erwerb von englischen Unternehmensanteilen an den britischen Wertpapierbörsen. Es bleibt also festzuhalten, dass bisher kein Land mit einer umfassenden Finanztransaktionsteuer Erfahrungen gesammelt hat. Als Folge dessen ist man auf Studien angewiesen und Prognosen sind schwierig, denn die Reaktionen der Finanzmarktteilnehmer nach Einführung einer Steuer sind schwer abzuschätzen.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Hauptargumente der Befürworter einer Transaktionssteuer sind die überfällige Mithaftung des Finanzsektors in der Krise und die Eindämmung von Spekulation an den Finanzmärkten.

Die Mithaftung des Finanzsektors

Im Falle der Einführung einer räumlich begrenzten Transaktionssteuer wird es zu Steuer-Vermeidungseffekten kommen, die die zu erwartenden Steuereinnahmen beträchtlich abschmelzen würden. Die Steuervermeidungsstrategien könnten zum Beispiel beinhalten, dass die Geschäfte in Steueroasen verlagert werden. Besonders dann wäre das der Fall, wenn eine solche Steuer nur für die EU gelten würde. In London, New York und Shanghai würde man dann die Sektkorken knallen lassen. Eine Kapitalflucht wäre die Folge. Andere Vermeidungsstrategien würden im Falle der Steuerereinführung dazu führen, dass steuerbefreite Finanzprodukte bevorzugt gehandelt werden. Auch das würde die Steuereinnahmen senken. In wieweit Marktteilnehmer das erhöhte Steueraufkommen in Form von Gebühren an die Verbraucher weiter geben würden, ist umstritten. Aber über Banken, Versicherer und Pensionsfonds würden sicherlich viele Milliarden auf die Bürger umgewälzt werden. Und welche Kosten auf die Industrie zukämen ist auch noch offen, denn dort werden täglich viele Milliarden an Absicherungsgeschäften im Devisenbereich getätigt. Auch diese Kosten würden an die Bürger weitergereicht. Der Effekt der Mithaftung des Finanzsektors fällt also im Falle der Steuereinführung deutlich geringer aus, weil die Marktteilnehmer ihre Kosten reduzieren würden und auch auf die Bürger umwälzen könnten. In Schweden wurde deshalb 1992 eine Börsenumsatzsteuer nach nur 7 Jahren wieder abgeschafft.

Die Eindämmung der Spekulation

 Es ist wohl wahr, dass das Handelsvolumen an den Weltbörsen in den letzten Jahren gigantisch angestiegen ist. Das Volumen der Devisentransaktionen ist beispielsweise 70-mal größer als der Handel mit Waren. Im Bereich der Zinsderivate ist das Verhältnis sogar 100-mal größer. Aber das hängt nicht unmittelbar mit einer größeren Bereitschaft zur Spekulation zusammen. Weitere Faktoren haben sich auch auf das Volumen ausgewirkt. Zum Beispiel hat die Wirtschaft ein steigendes Interesse an Absicherungsgeschäften in Devisen für den Handel mit Waren. Die Aktivitäten von liquiditätsspendenden Market Makern an den Börsen haben auch zu einem beträchtlichen Anstieg des Handelsvolumens der letzten Jahre beigetragen. Von der Transaktionssteuer verspricht man sich in Brüssel auch einen positiven Einfluss auf die enormen Preisschwankungen an den Börsen. Deshalb will man universell die Spekulation mit einer Steuer eindämmen. Aber dafür ist das Instrument denkbar ungeeignet. Erhält man denn weniger oder mehr Preisschwankungen an den Finanzmärkten, wenn man dem Markt Liquidität entzieht. Durch eine rein europäische Transaktionssteuer würden Marktteilnehmer flüchten und in anderen Ländern ihren Geschäften nachgehen. Das entzöge dem europäischen Finanzmarkt Kapital. Preisspannen würden dadurch wieder vergrößert und die Schwankungen werden dadurch sicher nicht abnehmen. Im Gegenteil, sie würden sich sogar verstärken. Die beabsichtigte Eindämmung der Spekulation ist richtig. Aber es existiert dafür kein universelles Instrument, um alle Spekulationen mit einem Mal zu unterbinden. Bessere Möglichkeiten die Zockerei an den Börsen zu reduzieren wäre eine Mindesthaltefrist im Hochfrequenzhandel und die Stärkung von Transparenz durch die Einführung einer Börsenpflicht für den Derivatehandel, der mit einem Volumen von 600 Billionen USD 10-mal größer ist als das Weltbruttosozialprodukt. Eine Finanztransaktionsteuer sollte wenn dann nur auf internationaler Ebene der G-20 Staaten eingeführt werden, damit den meisten Steuervermeidungsstrategien ein Riegel vorgeschoben wird. Ein fairer und effizienter Wettbewerb unter den Finanzplätzen ist auch nur dann gewährleistet. Die extremen Verwerfungen der letzten Jahre erfordern die Eindämmung von Spekulation. Aber nicht über Steuern, sondern durch höhere Transparenz und Regulierung. Wer dennoch neue Steuereinnahmen für den Staat befürwortet, der sei gewiss, dass nicht nur die Banken die Zeche dafür zahlen werden.

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