Steigflug

Die Investment Legende Carl Icahn sieht den Crash kommen. Die meisten anderen Experten erwarten weiterhin steigende Kurse. Wie lange kann der Aktien-Boom noch weiter gehen, wenn die Notenbanken erst mal beginnen das Geld teurer zu machen?

 

Der Morgen war noch jungfräulich und kühl. Die Hitze der Mittagssonne war noch Stunden entfernt. Zwei Männer erklommen, im Schweiße ihres Angesichts, einen nahe gelegenen Hügel Die beiden Männer machten sich bereit, ein seit Wochen geplantes Unternehmen in die Tat umzusetzen. Vater und Sohn wollten von der Insel Kreta flüchten und dafür eine revolutionäre Erfindung nutzen. Hastig traf man letzte Vorbereitung zum Start. Man breitete die an den Armen befestigten Flügel aus. Diese Flügel hatte der Vater aus Federn und Wachs geformt und war optimistisch, dass sie ihren Zweck erfüllen würden. Dädalus beschwor nochmals seinen Sohn während des Flugs konstant auf mittlerer Höhe zu verweilen. Zum kühlen aber auch feuchten Meer mussten beide während des Fluges genauso viel Abstand halten wie zur sengenden Sonne und ihrer warmen Strahlen. Ikarus bezeugte seinem Vater Dädalus, dass er dem Vater gehorchen werde und dass er dessen Mahnungen ernst nähme. Die beiden Männer warfen einen letzten Blick auf ihr Gefängnis, in dem sie König Minos so viele Tage gefangen gehalten hatte und machten sich zum Start bereit. Die Flügel hoch in der Luft haltend, so standen sie da.  Ein kurzer Lauf den Hang hinunter, ein kräftiger Sprung und tatsächlich hoben die beiden Männer vom Boden ab. Schnell gewannen sie an Höhe und die Insel blieb weit unten ihnen zurück. Zunächst  klappte alles wie geplant. Die Thermik war günstig und sie hingen in der Luft, wie von Geisterhand gehalten. Sie lernten schnell mit den Flügeln umzugehen und gewannen mit jedem Manöver an Sicherheit. Ikarus und Dädalus genossen den kühlenden Wind und die neu gewonnene Freiheit in vollen Zügen. Besonders Ikarus lernte schnell dazu und begann in der Höhe mit den Flügeln zu experimentieren. Trotz der verzweifelten Warnrufe seines Vaters ließ sich Ikarus dazu hinreißen,  mit einer steilen rechts Kurve in den Himmel zu steigen. Bereits nach kurzer Zeit flog der euphorische Junge weit oberhalb seines Vaters und das Ende des Steilflugs schien nicht in Sicht. Dädalus fand keine rationelle Erklärung weshalb die Flügel der Wärme der Sonne solange widerstehen konnten. Doch plötzlich geschah es. Den Naturgesetze gehorchend, begann das Wachs nun doch zu schmelzen. Die Federn lösten sich schrittweise aus ihren Halterungen und die Flügel des Ikarus lösten sich in Luft auf. Der Absturz des Jungen war nun vorprogrammiert. Er würde dem Vater nie mehr ungehorsam seinen können. Ikarus war zu schnell und zu stark gestiegen. Der tiefe Absturz drohte.

Wo kommen wir her?

Die Börsen befinden sich, nach einem tiefen Sturz, wieder weit über dem Vorkrisen Niveau. Der extreme Absturz der Weltbörsen ab 2007 diente als guter Nährboden für die gegenwärtige Zwischen-Hausse. Die Übertreibungen der Börsen, nach der Lehman Pleite (15. September 2007), ließen sogar Substanzwerte trotz prallgefüllter Kassen unter den Buchwert fallen. Kurz gesagt, eine RWE oder Bayer war an den Börsen weniger Wert an, als ihr gesamtes reales Vermögen im Falle der Liquidation. Solange  der totale Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems drohte, gab es wenig Argumente für Aktien. Als vermeintlich sicherer Hafen floss das Kapital in die Anleihemärkte. Nebenbei bemerkt, floss das Geld besonders in Staatsanleihen.

Da das uns der eingepreiste Systemkollaps erspart blieb, erholten sich die Aktienbörsen rasant. Denn die Kurse an der Börse setzen sich in der Regel aus Substanz und Phantasie zusammen. Also aus realen Werten der Unternehmen und der Hoffnung auf bessere Zeiten. Selbst nach den schlimmsten Krisen kehrt früher oder später die Phantasie an die Märkte zurück. Das führt dann zu enormen Kursaufschlägen. Die Laune an den Börsen verbesserte deswegen besonders schnell, weil zusätzliche Voraussetzungen geschaffen wurden die Aktien besonders interessant machten. Staatliche Konjunkturprogramme und niedrig Zinsen der Notenbanken stabilisierten unser System und unterstützen unsere Wirtschaft in der Erholung. Die Börsen profitieren davon gleich doppelt. Zum einen laufen die Geschäfte der Firmen besser und dadurch verdienen sie mehr Geld. Und zum andern stehen den Investoren billige Kredite zum Aktienkauf und für Investitionen zur Verfügung. Das hat den gleichen Effekt wie günstige Thermik beim Fliegen.  Einmal abgehoben flog Ikarus wie von alleine.

Wo sind wir?

Die Börsianer stehen der aktuellen Börsenentwicklung gespalten gegenüber. Man freut sich zwar über Rekordhochs bei DAX und Dow, traut aber der Hausse der Börsen nicht über den Weg. Die Kurse sind nach dem Tief im März 2009 verglichen mit der Konjunktur zu steil und zu schnell angestiegen. Die Handelsumsätze der Börsen sind weiter gering und liegen deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Vergleichbar geringe Geldbeträge können größere Preisveränderungen herbeiführen. Besonders die Termingeschäfte mit ihrer Hebelwirkung beeinflussen die Aktienkurse extrem, weil dazu weniger Kapital als bei der Direktanlage notwendig ist. Die Notenbanken drucken viel Geld und der Null Zins macht das Ganze auch noch spottbillig. Diese Entwicklung sorgt für Investitionsdruck z. Bsp. für Investment Fonds. Deren Kunden erwarten hohe Renditen für ihre Anlage. Je weiter die Börsenkurse steigen, desto stärker wird der Druck auf die Fondsmanager in Aktien einzusteigen. Und die wenigsten Institutionellen Investoren sind derzeit ausreichend in Aktien investiert. Das verstärkt den Aufwärtstrend. Das erklärt zwar einiges über den Höhenflug, aber wie geht’s denn weiter?

 

Steilflug oder Sinkflug?

Wenn Carl Icahn etwas sagt, wird es gehört an den Börsen dieser Welt. Der 77-jährige Milliardär bewegt die Märkte, wie es sonst wohl nur noch Finanzikonen wie Warren Buffet oder George Soros können. Und diesmal hat sein Wort besonderes Gewicht, denn Icahn sieht schwarz. Er hält die meisten Aktien für überbewertet, weil die aktuellen Gewinne nicht operative sondern über billige Kredite erwirtschaftet würden. Dieses Argument sticht zwar, aber ist dennoch nicht der einzige Grund eine Warnung auszusprechen. Die Risiken für die Börsen, die durch die Finanzkrise- und Wirtschaftskrise offengelegt wurden, beunruhigen die Profis nach wie vor. Staatsverschuldung, Währungsschwankungen, hohe Arbeitslosigkeit, Spekulationsblasen durch Geld Flut. Es gibt sicher noch weitere Gründe vorsichtig zu sein. In der Regel können sich die Börsenkurse nicht dauerhaft von der Konjunktur abkoppeln. Doch in den letzten 4 Jahren ist genau das passiert. Der Deutsche Aktienindex Dax gewann 2013 20 Prozent hinzu, während die deutsche Volkswirtschaft wohl maximal 0,7 Prozent schaffen wird. Nicht viel besser war das Verhältnis 2012. Auch anderorts sieht es so aus. Angetrieben durch die Nullzinspolitik der Notenbanken floriert das Geschäft mit Aktien.  Aber die Unternehmensgewinne spielen im Boom nur eine untergeordnete Rolle. Der Zins ist das Zünglein an der Waage.

Sollten die Notenbanken demnächst die Zinsschrauben anziehen, so müssen die Perspektiven für Aktien neu bewertet werden. Eine Verknappung der Geldmengen im Finanzkreislauf wird nicht gleich den Kollaps verursachen.

Aber eine Umkehr der aktuellen Bypass-Lösung für das Herz-Kreislaufsystem der Finanzwirtschaft könnte doch zu Herzrhythmus Störungen bei der Weltwirtschaft führen. Steigende Zinsen würden einige Banken und Staaten schnell in Verlegenheit bringen. Besonders der Anstieg der kurzfristigen Zinsen könnte das System wieder stark in Wanken bringen.

Eine langsame und sehr vorsichtige Millimeterarbeit in der Geldpolitik wird gefragt sein um den Höhenflug der Börsen nicht zum Drama zu machen.

Im Mythos des Ikarus war der Absturz vorprogrammiert. Nur das wann, war hier die Frage. In der Realität verhält es sich genauso.  Auf Sicht gesehen wird der Absturz folgen, denn zu hoch sind wir schon geflogen. Beim ersten Fehler der Notenbanken wird der Boom zu Ende gehen.

Oliver Roth

www.oliver-roth.de/

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