Tempolimit für den Hochfrequenzhandel

Komplexe, computergesteuerte Handelssysteme die in Sekundenbruchteilen Informationen in Kauf- oder Verkaufsaufträge umwandeln, sind auf dem Vormarsch. Ist dieser rasend schnelle Börsenhandel ein Segen oder eine tickende Zeitbombe für die Finanzwelt?

Im fensterlosen Raum ist nur ein leises Summen zu vernehmen. Einige Lampen blinken. Ansonsten ist es still. Die Temperatur ist gleichmäßig bei 21 Grad. Das Summen stammt von Hochleistungsrechnern, von denen es in dem Raum gleich mehrere gibt. Die Kühlung der Systeme und eine gleichbleibende Temperatur sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Hochleistungsrechner reibungslos funktionieren. Das Büro, das dem Computerraum vorgelagert ist, ist nur von wenigen Personen besetzt. Dazu gehören studierte Mathematiker, Physiker und Computer Spezialisten, die nahezu geräuschlos ihrem Job nachgehen. Es handelt sich bei diesem Büro nicht etwa um Mission Control oder das Entwicklungszentrum von Apple, sondern um das Büro einer Firma die sich mit Börsenhandel beschäftigt. Aber einer ganz besonderen Form des Aktienhandels. Dem sogenannten Hochfrequenzhandel. Diese neue Form des Wertpapierhandels erfreut sich besonders bei Großbanken und Hedgefonds immer größerer Beliebtheit. Geschätzte 20 Mrd. US Dollar werden jährlich mit den Hochleistungsrechnern verdient. Der Anteil dieser Handelsmethode am gesamten Handelsvolumen an den Börsen steigt stetig. Bis zu zweidrittel aller Orders werden mittlerweile an den Börsen von Computern generiert. Die Liquidität an den Finanzmärkten wird durch den Hochfrequenzhandel erhöht und damit auch der Markt an sich gestärkt. Das führen zumindest die Befürworter des Hochfrequenzhandels an. In Nano- und Picosekunden werden Orders durch Computer gekauft und wieder verkauft. Beim Hochfrequenzhandel nutzen diese Firmen Hochleistungsrechner und Algorithmen  (mathematische Formeln) nach denen Aufträge in Picosekunden ausgeführt werden. Zusätzliche Hochleistungsleitungen, welche die Aufträge in Picosekunden an die Börse bringen.

Doch welche Auswirkungen dieser neue Geschäftsbereich auf die Börsen als Allgemeingut hat, ist noch offen. Spätestens seit dem Blitzcrash an der Wall Street vom 6. Mai 2011 ist das Algotrading und der Hochfrequenzhandel, der ein Teil des automatisierten Computerhandel darstellt, in Verruf geraten. Der Dow Jones fiel damals um 10%. Es wurden innerhalb weniger Minuten 580 Mrd. Euro vernichtet. Nach der Analyse der amerikanischen Finanzaufsicht SEC ist der Grund für den Crash in einem Computerprogramm zu suchen das fälschlicherweise ein großes Termingeschäft innerhalb von zwanzig Minuten,  anstatt die Order über den ganzen Tag ausgeführt hat. Es handelte sich offensichtlich um ein Programm mit unzulänglichen oder falschen Algorithmen.

Solche „rough algorithms“ kommen immer wieder vor und gefährden dann mit irrationalen Kauf- oder Verkaufsverhalten die Stabilität der Märkte. Das kann dann mitunter zu massiven Kurssprüngen führen, wie man am Blitzcrash sieht. Die Auswirkungen des automatischen Computerhandels und des Hochfrequenzhandels auf die Finanzmarktstabilität ist bisher wenig bis gar nicht erforscht. Was man aber mit Sicherheit weiß ist, dass das sogenannte Algotrading in den letzten Jahren rasant an Bedeutung gewonnen hat. In den USA sollen bereits zweidrittel alle Geschäfte auf Computerprogrammen basieren. Auch in Europa sind die „Computer als Händler“ auf dem Vormarsch. Auf bis zu 40% Marktanteil schätzt man den Einfluss des computergestützten Handels hierzulande. Die Befürworter des Computerhandels führen als Vorteile die erhöhte Liquidität in den Märkten an, von denen alle Anleger profitieren könnten. Für den computergestützten Handel –oder Algotrading- mag das zutreffen.

Der Hochfrequenzhandel dagegen ist da schon deutlich kritischer zu untersuchen. Denn dort verdienen sich hauptsächlich nur einige wenige Marktteilnehmer eine „Goldene Nase“ an dem meist risikolosen Geschäft der Computer. Denn der Hochfrequenzhandel braucht nur Bruchteile von Sekunden, um sich einen Vorteil durch den technischen Vorsprung zu Nutze zu machen. solange die Logik der Programme stimmt, erwirtschaften große Institutionelle Investoren Milliarden an den Börsen, in dem sie den Zeitvorsprung der durch den hohen technischen Aufwand gewährleistet wird, ausnutzen. Um sich die Hochleistungsrechner, die hyperschnellen Leitungen und teuren Programmierer leisten zu können, bedarf es einer horrenden Vorleistung die in die Millionen geht. Das können sich nur Hedge Fonds und Großbanken leisten. Weshalb dieser Speed-Handel erlaubt wird liegt auf der Hand. Die Börsenbetreiber verdienen an jeder Order mit. Ob ausgeführt oder nicht. Auch Banken erhalten Provisionen die sich auf Jahr gerechnet summieren und lohnen. Finanziert wird das Ganze dann schlussendlich vom Anleger.

Die Gefahren die vom Hochgeschwindigkeitshandel mit Computern ausgehen sind enorm. . Der bekannte Blitz-Crash an der Wall Street ist bereits bekannt. Aber die Ausnahme ist bereits zur Regel geworden.

– 19.August 2013: Während sich viele von uns der Hitze des Sommers hingeben, schnellt der Aktienmarkt in Schanghai in wenigen Sekunden um 5,6 Prozent in die Höhe, als das Investmentunternehmen Everbright Securities Kaufaufträge über 23,4 Milliarden Renminbi an der Börse Schanghai absetzt.

-20.August 2013: Drei Tage später wieder eine Computerpanne, diesmal am anderen Ende der Welt, in New York. Fehlerbedingt versendet das Goldman-Sachs-Handelssystem Kaufaufträge für Aktienoptionen

-22. August 2013: Ein Schnittstellenproblem zwischen einem Marktteilnehmer und einer „Pricing Engine“, einem System, das Aktienpreise in Echtzeit bereitstellt, führt zur längsten Handelsunterbrechung – einem „Flash Freeze“ – in der Geschichte der Nasdaq

Zu viele Daten in zu kurzer Zeit

Das Problem ist technisch bedingt. Zu viele Daten in zu kurzer Zeit. Es gibt deshalb auch zu viele Fehlerereignisse in letzter Zeit, weswegen selbst die Ratingagentur S&P zuletzt damit drohte, die Kreditwürdigkeit der betroffenen Handelsplätze herabzustufen. Die Anfälligkeit der elektronischen Handelsplattformen für Pannen sei zu hoch oder, so würde es ein Technologe ausdrücken, Fehlertoleranz und Robustheit seien nicht in ausreichendem Maß gegeben. Oder anders ausgedrückt, das Tempo des Handels ist zu hoch. Die Kontrolle der Prozesse nicht immer gegeben.

Wir sollten weder ultraschnell noch vorschnell über Handelsalgorithmen urteilen.

Nehmen wir eine differenzierte Haltung ein und unterscheiden zwischen reinem Hochfrequenzhandel und Algotrading. Individuelle Lösungen sollten als Alternative zum schon länger geforderten gesetzlichen Verbot des gesamten ultraschnellen Börsenhandels erarbeitet werden. Wir haben hier, wie im Straßenverkehr, Teilnehmer die zu schnell fahren. Was wir nun brauchen um den Verkehr als Ganzes nicht zu gefährden ist beispielsweise ein Tempolimit. Das könnte die Märkte zu entschleunigen. Eine Mindeshaltedauer für Orders könnte so ein Tempolimit darstellen. Damit würden das Wettrennen der schnellsten Computer gebremst werden und eine neue Ordnung würde entstehen.

Hochfrequenzhandel ist ein Phänomen, das nur an zentralen elektronischen Börsenplätzen auftritt. Wenn eine elektronische Börse Aufträge ihrer Marktteilnehmer ausführt, so tut sie das auf ihre ganz spezifische Weise, abhängig von ihrer individuellen Plattformarchitektur. Hochfrequente Algorithmen der Marktteilnehmer nutzen jene spezifischen Eigenarten der Auftragsausführung der Plattform aus, mit der sie Handel treiben. Besonders deutlich wird das, wenn Handelsteilnehmer ihre Rechner unmittelbar neben denen „ihrer“ Börse installieren, um den Zeitverlust bei der elektronischen Kommunikation möglichst gering zu halten. Seit kurzem herrscht an manchen Handelsplätzen das Rowdytum, wo mit viel Sprit, guten Reifen und der Ideallinie das Rennen gemacht wird. Mit einer Entschleunigung der Märkte könnten wir diese wieder sicherer machen ohne in graue Mittelalter zurückkehren zu müssen, als der gute alte Telegraph das Tempo noch vorgab.

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