Der Nebel lichtet sich

Der Nebel war dicht. Man konnte kaum seine eigene Hand vor den Augen erkennen. Der Flottenverband war plötzlich auf dem offenen Meer ins Stocken geraten. Eines seiner ältesten Schiffe hatte mitten auf See Schlagseite erlitten. Nur mühsam konnte es sich jetzt noch über der Wasserlinie halten. Die Besatzung des havarierten Schiffs mühte sich redlich, den Abstand zum Rest der Flotte nicht zu groß werden zu lassen. Man war vor langer Zeit mit den Anderen in See gestochen, obwohl alle wussten, dass das Schiff bereits beim Auslaufen nicht für diese Reise tauglich gewesen war. Der Zustand des Seglers war bemitleidenswert. Notwendige und teure Reparaturmaßnahmen waren immer wieder verschoben worden aber keiner hatte den Willen und den Mut aufgebracht, die gemeinsame Reise abzusagen. Die Risse und Löcher im Rumpf waren lediglich mit Farbe übertüncht und somit die wahren Ausmaße der Schäden verheimlicht worden. Dennoch wurde allgemein gewünscht, dass der alte Segler mit in See sticht. Das Schiff gehörte eben irgendwie zur Gemeinschaft. Die Kapitäne erahnten die prekäre Lage des altehrwürdigen Schiffs, doch keiner von ihnen fand den Mut, öffentlich Zweifel an der Seetüchtigkeit des besagten Seglers zu äußern.

Die „Griechenland“, unser havarierter Segler hat Schlagseite erlitten. Jetzt, auf hoher See, rächen sich die drastischen Fehleinschätzungen und der fehlende Mut zur Offenheit. Durch die Havarie ist die ganze Flotte gefährdet und die ganze Mission ist in Gefahr. Doch hat man daraus gelernt? Nein, im Gegenteil: die Einheit der EU-Flotte wird beschworen. Mit Durchhalteparolen werden Hoffnungen genährt.

Der ökonomische Verstand wurde auf dem Altar des politischen Willens geopfert. Zunächst war Pragmatismus angesagt. Die EU versuchte in der Griechenlandfrage Zeit zu schinden. Eine Vernebelungstaktik wurde angewandt, um zu verhindern, dass über den wahren Zustand Griechenlands nachgedacht wird. Man hofft, mit Hilfszusagen und solidarischen Worthülsen den Zusammenbruch zu verhindern. Die Parole Hoffnung wird ausgegeben. Griechenland könnte sich vielleicht selbst durch Sparen kurieren. Doch wenn der Nebel sich lichtet, kommt die Wahrheit ans Licht. Also lassen Sie uns den Nebel gemeinsam lichten und Klartext reden.

Wie ist die Ausgangssituation?

Nach der Wahl in Griechenland steht alles auf dem Prüfstand. Über Jahre hinweg versuchte die EU Griechenland -über verkappte Transferleistungen- künstlich am Leben zu erhalten.  Es wurde umgeschuldet und Laufzeiten auf den Sankt Nimmerleinstag verlängert. Aus den ehemaligen privaten Gläubigern -darunter viele französische und deutsche Banken- wurde durch die „Rettung“ staatliche Institutionen. ESM, EFSF und EZB. Die Schulden der Griechen wurden damit verstaatlicht. Nur gesagt wurde das nur mit vorgehaltener Hand und niemals öffentlich. Es waren bisher  alles nur  Taschenspieler Tricks, um das böse Wort der Insolvenz nicht benutzen zu müssen. Doch das Ergebnis ist das gleiche. Auch der Absturz der hellenischen Wirtschaft war auf diese Weise nicht zu verhindern. 28% seiner Wirtschaftskraft hat das Land seit 2008 eingebüßt.  Und wie mein Vater schon immer sagte: „Hör mir auf mit Prozenten“. Denn jetzt werden mögliche 3-4% erwartetes Wachstum in Griechenland der Öffentlichkeit als Erfolg der Reformen -und damit der Strategie der Troika-  verkauft. Aber wie mein Vater schon wusste: Wenn man vom Grundwert 50% verliert, muss man im Anschluss erst 100% hinzugewinnen, um wieder auf dem Vorniveau zu landen. Deshalb ist die Aussage, dass Griechenlands Wirtschaft sich stabilisiert mit großer Vorsicht zu genießen. Auch die Schuldenstatistik sieht nicht gut aus. Da hat sich das Land nicht wirklich verbessert. Nach dem „Schuldenschnitt“ 2012 ist die Gesamtverschuldung Griechenlands wieder auf 318 Milliarden Euro angestiegen (302 Mrd. im Jahr 2012). Die unveränderte schwierige Lage des Landes spürt die breite Bevölkerung natürlich am meisten. Deshalb wurde nun mit der Wahl der Links Regierung in Athen eine Trendwende von der Bevölkerung eingefordert, welche die neue Regierung nun umzusetzen versucht.

Es wurde in Brüssel auf Zeit gespielt. Doch die läuft gerade aus.  Das könnte man pragmatische Politik nennen, wenn mittelfristig eine wirkliche Lösung der Probleme in Sicht wäre. Doch davon ist bisher nichts erkennbar. Die EU hat vorab lautstark verkündet, dass es keinen Schuldenerlass für Griechenland geben werde, wie er  ins Spiel gebracht wurde.  Als wenn das nicht schon längst der Fall gewesen wäre. Aber diese Aussagen schränken zumindest gewisse Spielräume in Verhandlungen ein. Die Kapitalmärkte wollen langfristige Perspektiven und glauben nicht an Griechenlands  Selbstheilung. Deshalb werden griechische Anleihen auch weiterhin keine Chance auf Platzierung an den Kapitalmärkten haben. Was auch der neuen griechischen Regierung unter Alexis Tsipras wenig Spielraum bei Verhandlungen lässt.  Dass es diese geben wird, ist unbestritten. Nur der Ausgang der Gespräche ist offen. Laut Berechnungen von Experten zahlt Griechenland schon heute pro einem Euro Steuereinahmen 30 Euro-Cent Zinsen. Sobald es 40 Cent zahlt, wäre es am „Point of no Return“ angekommen. Eine Überschuldung wäre dann unausweichlich, ohne EU Transfers.

Welche Optionen hat Griechenland?

Die Strukturanpassungsprogramme des IWF beinhalten Themen wie Subventionsabbau, Haushaltsdisziplin, Privatisierung von Staatsbesitz, Steuerpflicht für alle und einiges mehr bis hin zur vorübergehenden Abgabe von Souveränitätsrechten. Mit oder ohne IWF muss Griechenland konsequent Maßnahmen ergreifen, um der Überschuldung entgegen zu wirken. Nur ein Schuldenabbau reicht da nicht. Der generell wichtigste Teil der IWF-Sanierungsstrategie wird aber im Fall der Helenen zunächst nicht angewandt werden können: die Währungsabwertung. Die Abwertung ist vorerst ausgeschlossen, da Griechenland damit aus dem Euro ausscheiden müsste. Das würde  einen  Banken-Crash in Hellas auslösen, aber die Schulden der Griechen in Euro bestehen lassen.  Pleite. Also bliebe Griechenland nur noch der mühsame Weg einer „internen“ Abwertung, in dem es die Löhne und Preise für längere Zeit einfriert, um wirtschaftlich effizienter zu produzieren. Damit würden griechische Produkte auch international wettbewerbsfähiger. Die Absenkung des Lohnniveaus bewirkt aber auch eine massive Reduktion des Lebensstandards, was weitere soziale Unruhen auslösen könnte. Subventionsabbau und eisernes Sparen würden, ohne eine Abwertung vorzunehmen, das hoch verschuldete Land weiter in einer tiefen Rezession verharren lassen.  Diese –bereits begonnene-Rosskur muss fortgeführt werden, unabhängig welche Regierung in Athen sitzt. Weitere Erleichterungen für Griechenland werden aber ebenfalls Bestandteil einer neuen Ordnung haben. Die  nächste „Umschuldung“ oder „Schuldenschnitt“ wird kommen. Es wird weiter auf Zeit gespielt.

Was bleibt Griechenland?

Kurz und knapp: Eine Exit-Strategie für das überschuldete Griechenland  sollte schnellstens entwickelt werden. Ohne Euro könnten die Griechen ihre Währung abwerten, um mit ihren Waren im Ausland wettbewerbsfähiger zu werden. Nur von welchen Waren reden wir hier?  Ohne Geschäftsmodell wird Griechenland verloren gehen. Das alte Schiff wird wohl alleine vor Anker gehen und die Flotte ziehen lassen müssen. Sobald sich der Nebel lichten darf.

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